Vermutlich hatten sich noch nicht einmal alle Wacken-Besucher von den dreitägigen Festival-Strapazen erholt oder waren gar Zuhause angekommen, da war auf der Webseite des größten deutschen Heavy-Metal-Events folgende Schlagzeile zu lesen: "Das W:O:A ist zum zehnten Mal SOLD OUT!!!". 75.000 Tickets wurden in zwölf Stunden verkauft - ein neuer Rekord.
Kein Wunder, nach jeder Menge Sonnenschein in diesem Jahr und ersten Ankündigungen hochkarätiger Bands für das kommende Festival ist die Vorfreude bei vielen Fans groß. Doch auch eine andere Gruppe dürfte sich bereits diebisch auf das Wacken Open Air 2015 freuen: die Ticket-Schwarzhändler. Nachdem die Veranstalter am Sonntagabend verkündet haben, 2015 auf die in den beiden letzten Jahren übliche Ticket-Personalisierung zu verzichten, wittern sie nun das große Geschäft.
Wenige Stunden nach dem "Sold out" wurden auf Ebay bereits Hunderte von Festival-Tickets angeboten. Zu horrenden Preisen, versteht sich. Besonders dreist: Die Schwarzhändler verscherbeln die Tickets, ohne sie überhaupt in den Händen gehalten zu haben. Denn der Versand durch den W:O:A-Veranstalter dürfte aufgrund der enormen Nachfrage noch einige Wochen dauern.
Dass die Verkäufer offenbar nie vorhatten, auf das Festival zu gehen, geben die meisten unumwunden zu: Nicht selten findet man Auktionen mit bis zu fünf Tickets, die "in die Post gehen, sobald sie angekommen sind." Ein Händler ist besonders dreist: Er bietet gleich zehn Tickets an, zum Preis von 344,44 Euro pro Stück. Der Originalpreis lag bei 170 Euro inklusive Vorverkaufsgebühr.
Andere Verkäufer sind mit ihren Erklärungen kreativer. So schreibt einer: "Nach einigen Stunden in der Warteschleife […] habe ich endlich meine Tickets ergattert. […] Leider habe ich bereits direkt nach dem Erwerben das Ticket bezahlt und nun ist mir aufgefallen das ich zu diesem Zeitpunkt nicht kann." Zudem scheint es Dutzende "versehentliche Doppelbuchungen" gegeben zu haben.
Sicher, dem einen oder anderen Verkäufer wird tatsächlich etwas dazwischengekommen sein. In der Summe erscheint es aber unwahrscheinlich, dass in dieser kurzen Zeit geplante Mitfahrer plötzlich reihenweise absagen oder Omas Siebzigster dazwischengekommen ist.
Für die Wacken-Organisatoren ist der Ebay-Ausverkauf besonders bitter, da sie sich in den vergangenen Jahren vehement für eine Ticket-Personalisierung und gegen den Handel auf Online-Marktplätzen eingesetzt hatten. Für das diesjährige Festival waren sämtliche Tickets personalisiert worden - ein enormer administrativer Aufwand, der aber die Fans vor dem Preiswucher, wie er sich jetzt andeutet, bewahrte.
Gleichzeitig befindet sich das Wacken-Team noch "in einem Rechtsstreit mit Ebay hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit von personalisierten Tickets", heißt es auf der offiziellen Homepage. Um den Fans keinen hohen Aufwand zuzumuten, habe man sich deshalb "nach langen Überlegungen" gegen eine erneute Ticket-Personalisierung entschieden. Diese Entscheidung wurde am Sonntagabend erst zwei Stunden vor Vorverkaufsbeginn mitgeteilt, weil man hoffte, "dass sich der Schwarzmarkt und einige der organisierten Händler und deren Mittelsmänner nicht schnell genug formieren können, so dass wir zumindest für dieses Jahr viele dieser Abzocker ausschließen."
Diese Hoffnung hat sich bestenfalls zum Teil erfüllt.
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